Breath(e).

Gibt wohl keinen besseren Surferroman als diesen von Tim Winton. Keiner beschreibt den Ozean, die Wellen, ihre Schönheit, ihr Chaos, auch ihr Gemetzel, die Gefahr durch die Haie besser als er. Und die Ignorierung dieser Gefahr, die so viel über das Surfen aussagt. Und die Surfer. Zwei Jungen, die miteinander seit Kindesalter in ihrem kleinen Kaff Sawyer befreundet sind, obwohl sie ganz unterschiedlich sind, einen ganz unterschiedlichen background haben, auf ganz unterschiedliche Schulen gehen; der eine auf die normale Agrarschule im Ort, der andere auf die High School im nächsten Regionalzentrum Angelus. Sie bringen sich gegenseitig das Tauchen, das Atemanhalten und das Surfen bei. Dann tritt dieser Hippie-Guru-Surfer in ihr Leben und verändert es. Und seine amerikanische Frau auch.

„Wir waren in tiefem Wasser, alles in allem also relativ sicher, und ich hatte das Ausmaß dessen, was ich da sah, noch nicht so recht verstanden, aber allein der Anblick, wie dieses Ding über der Bombara in die Höhe schoss, jagte mir die Angst wie eine Klinge durch den Körper. Allein das Geräusch der Gischt, die vom Wellenkamm nach hinten zischte, war furchteinflößend, es war das Geräusch von reißendem Blech. Die Welle warf sich auf die Untiefe, und der Hall donnerte übers Wasser und knallte mir gegen die Brust …“

Die Übersetzung hakt mitunter etwas; es wäre viel gewonnen gewesen, wenn viele Begriffe einfach im Original belassen worden wären – zum australischen Busch muss man nicht „Wald“ sagen, und Fisch- und Vogelarten muss man auch nicht immer übersetzen, sie verlieren damit nur ihre Anschaulichkeit, ihre Ursprünglichkeit – aber das Buch ist meisterhaft und es muss schwer gewesen sein, seine Landschaftspoetik zu übersetzen, dafür die richtigen Worte zu finden. Auch für die Kompliziertheit der Beziehungen. Wie dieser Moment kommt, in dem der eine zum anderen etwas sagt, unterlässt, tut, was von einer Minute auf die andere den Bruch zwischen den beiden bedeutet. Der nicht mehr umkehrbar ist, und den man, närrisch, nicht hat kommen sehen. „Schätze, ich war auf der Suche nach etwas Unverfälschtem“; das in einer Umgebung, die kaum Freundschaft, kaum gegenseitigen Gefühle, kaum gegenseitiges Vertrauen kennt. Man steht vom Tisch auf und weiß, dass man den anderen nie wiedersehen wird. Man überspielt es mit einem „Man sieht sich“, möglichst unbeschwert, möglichst unbekümmert, und ein paar Minuten und ein paar Meter später wird man sich gegen das nächste Gebäude lehnen und nach Luft schnappen wird. Breathe! Ein Treffen unabänderlich, das noch Jahre später nachwirken wird.

Atem ist mehr als eine „Coming of Age Novel“, eine der für den achselsächsischen Sprachraum so typischen Erzählungen über Heranwachsen und Reife. Es ist auch ein Hohelied an das Leben, eine Besinnung auf den Lohn der Angst und das Sich-Abfinden mit Unvollkommenheit und Verlusten. Geschrieben mit so vielen wahren Sätzen, wie sie seit Hemingway nur selten ein Schriftsteller zustande gebracht hat.“
Georg Schmidt, in >>>Deutschlandradio Kultur

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