Nury Vittachi: Der Fengshui-Detektiv im Auftrag Ihrer Majestät

(Diese Rezension ist zuerst erschienen im CrimeMag am 29. August 2009)

Auf Leben und Tod

Nury Vittachi erspart dem Leser nichts. Sein Fengshui-Detektiv C.F. Wong und die quirlige englisch-australische Assistentin Joyce McQuinnie jagen Verbrecher rund um den Erdball. In Der Fengshui-Detektiv im Auftrag Ihrer Majestät führt die Reise von Singapur über Hongkong, den Himalaja und Islamabad nach London. Dabei gibt es kaum ein Thema, das Vittachi nicht verhandeln würde: Menschenrechte, Zensur, Pressefreiheit, Korruption, Heuschreckenkapitalismus, Umweltkriminalität, Tierquälerei. Was bei anderen Autoren grandios schief gehen kann, macht Vittachis virtuose Ausrufezeichen-Tragikkomödien erst aus. Von Christiane Geldmacher.

Aber der Reihe nach. C.F.Wong steht vor dem Geschäft seines Lebens. Es hat zwar nichts mit Fengshui zu tun, aber dafür umso mehr mit Textmarkern, in Form kleiner Früchte, hier Bananen. Diese sollen der von Wong neu gegründeten Harmoney Private Ltd. (so wie „Har“ und „Money“) Geld in die klamme Kasse spülen. Doch die böse Überraschung bleibt nicht aus: die 180000 Textmarker sind nicht mit leuchtendgelber, sondern mit schwarzer Tinte gefüllt. Die eignet sich nur zum Durchstreichen. Das Businesstreffen entwickelt sich zu einem Fiasko, die Kundin springt dem fassungslosen Wong ab und der Produzent der nutzlosen Marker – ein Mitglied einer skrupellosen indischen Mafia – will trotzdem sein Geld sehen.

Unter Wölfen

Guter Rat ist teuer. Ohne seine rührige Assistentin Joyce wäre Wong aufgeschmissen, aber die hat gerade einen lukrativen Auftrag an Land gezogen. Ein Großraumflugzeug, „Skyparc“ genannt, soll im Auftrag der British Trade Commission fengshuit werden, damit es an die Chinesen verkauft werden kann. Der größte Superjet aller Zeiten, der „iMac der Flugzeugwelt“, mit Konferenzzentrum, Theater, Café, Kino, Bistros („die weltweit beste Tagungsstätte für brisante Verhandlungen auf Regierungsebene. Perfekt für Israelis und Palästinenser, Singhalesen und Tamilen“). Wong und Joyce fliegen also nach Hongkong, wo der Skyparc auf dem Flughafen auf seine Fengshuisierung wartet. Wong und Joyce kommen im besten Hotel am Platz unter („Welche Pracht. Welcher Stil. Welcher Luxus. Welcher Pomp. Welche Geschmacklosigkeit!“), aber kaum haben sie die Koffer abgestellt, gibt es eine Leiche. Ein Erdölmanager wurde erschossen, und zwar ausgerechnet an Bord des herrlichen Luxusfliegers. Wong frohlockt: Der Mord treibt sein Honorar natürlich in astronomische Höhen. Und da der Täter quasi schon überführt ist – es soll ein militanter Umweltaktivist gewesen sein – braucht er nichts anderes zu tun, als den Skyparc von seinen negativen Schwingungen zu befreien und die Rechnung zu schreiben.

Wenn es nur so einfach wäre. Denn an der Schuld Paul Bakers bestehen Zweifel. Ein Videoband fehlt, auf dem der Mord aufgezeichnet wurde und der Hauptzeuge erweist sich als unglaubwürdig. Um den richtigen Mörder zu entlarven, gehen Wong und Joyce mit dem Skyparc auf die Reise, aber in der Zwischenzeit hat ihr Auftraggeber gewechselt. Es ist jetzt nicht mehr die British Trade Commission, sondern Prince Charles höchst selbst, der Wong das dreifache Honorar zahlt, wenn er Paul Baker entlastet, damit die Umweltorganisation, der er angehört, nicht diskreditiert wird.

Wong und Joyce werden dabei fast vergast und nachdem vier Bomben explodiert sind, rast der brennende Superjet auf ein Schneefeld im Himalaja zu. Nichts für schwache Nerven. Und natürlich auch kein gutes Fengshui.

Ambivalente Helden

Vittachis Krimis leben von ihrem bizarren Ermittlerduo. C.F. Wong und Joyce McQuinnie sind beide auf unterschiedliche Art Idealisten. Wong, dessen Leben sich in einem grotesken Gegensatz zu den von ihm gepredigten Fengshui-Prinzipien befindet, schreibt seine zauberhaften Paradise-lost-Grashalmgeschichten (auch leider schon mal in seiner Abstellkammer zwischen Klorollen), Joyce ist eine nimmermüde und eifrige Vorkämpferin für globale Gerechtigkeit. Durch diese Figuren schreibt Vittachi gegen die Wirklichkeit an: absurd, überdreht und grotesk. Seine Bücher sind flammende Anklagen gegen die Dummheit. Nie würde es ihm einfallen, Konzessionen an den Leser oder Publikumsgeschmack zu machen. Er eskaliert jeden Konflikt, den er kriegen kann.

Dabei verletzt er alle Regeln der Komposition, schreibt, wie er es gerade braucht. Und es macht nichts. Im Gegenteil: Seine Storys werden dadurch umso furioser. Im letzten Fünftel des Buchs explodieren plötzlich die Perspektiven, einfach weil der Flieger explodiert: aus zwei werden sechs. Bei Vittachi geht das, man merkt’s auch erst nicht. Er erweist sich als Herr und Meister seiner Geschichten und der literarischen Stilmittel. Dabei wahrt er zu seinen Figuren immer ironische Distanz, er macht sich nie gemein mit ihnen. Wong neigt zur Geldgier und Übellaunigkeit, Joyce zu Naivität und Hedonismus. Gerade das ist das Spannungsfeld, in dem sich die Storys so abwechslungsreich entwickeln. Ost und West, Mann und Frau, alt und jung. Und das alles in dieser wunderbaren Poesie der esoterischen Fachsprache: Da gibt es das Flugzeugfengshui, das Gebäudefengshui, das Friedhoffengshui und, ja, auch ein Mailfengshui (800 Mails im Posteingang ist ein Zeichen für ein schlechtes Fengshui und für abgestorbene Energie). Für Leser, die auf so was abfahren, sind Vittachis Bücher ein Quell ständigen Vergnügens.

Witzig, unterhaltsam, philosophisch

Was Vittachis Bücher so spannend macht, sind ihre stetigen Orts- und Tempowechsel. Auf irrwitzige, abgedrehte Verfolgungsjagden mit spritzigen Dialogen folgen kontemplative Grashalmgeschichten, die den Leser an den Ort der Ruhe und aufs Wesentliche zurückführen. Um ihn jedoch sofort wieder ins Chaos zu stürzen. Hier präsentiert Vittachi eine Vielzahl großartiger und starker Einzelszenen. Etwa wenn Wong ein Kundengespräch auf einem Schiff im Singapurer Hafen vorbereitet, das Schiff aber plötzlich ablegt und sich alle Energieströme dramatisch ins Negative ändern. Oder wenn Joyce im Angesicht des Todes mit dem einzigen Royal an Bord („Yeah!“) ins Bett springt. Oder wenn Wong schlussendlich doch noch seine 180.000 schwarztintigen Textmarker losschlagen kann, weil sie für Zensurzwecke der Behörden geradezu ideal sind. Wong strahlt: Er erhält vom Grossist sogar Folgeaufträge!

Die letzte erbauliche Grashalmweisheit lautet übrigens: „Viele Märchen der Völker handeln von Krügen, die nie leer werden. Solche Krüge gibt es wirklich. Man muss sie nur finden.“
Genau. Die Bücher des fröhlichen Anarchisten Nury Vittachi sind solche Krüge.

Christiane Geldmacher

Nury Vittachi: Der Fengshui-Detektiv im Auftrag Ihrer Majestät (Original: Mr Wong goes West, 2008).
Aus dem Englischen von Ursula Ballin:
Zürich: Unionsverlag metro 2009. 246 Seiten. 19.90 Euro.

| Zur Leseprobe
| Zu Nury Vittachis Weblog The Curious Diary of Mr Jam

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